Nachdem am Samstag erneut fünf vom Bär gerissene Schafe auf der Alm im Verwalltal gefunden wurden, haben die Almbauern am Sonntag die Reißleine gezogen und die Schafe von der Alm getrieben.
Mindestens 28 gerissene Schafe gehen auf das Konto eines Bären im Oberen Gericht. Zuerst hat er auf einen Schlag 14 Tiere auf der Herdenschutzpilotalm am Lader Heuberger und zuletzt in kurzen Abständen mindestens 14 Schafe im Verwalltal bei St. Anton gerissen. Ca. 650 Schafe haben jetzt die Alm verlassen.
Tägliches Bangen und Hoffen: Die vergangen drei Wochen waren für die Almbauern im Verwalltal nervenaufreibend. Almobmann-Stv. Andreas Matt schildert: „Alle paar Tage hat unser Schafhirte wieder Risse von der Alm gemeldet. Wenn du diese Nachricht an einen begeisterten Schafzüchter weitergeben musst, bricht für den fast eine Welt zusammen. Viele sprechen da vom Aufhören. Auch dem Hirten ist natürlich das Elend gekommen. Klar, er geht jeden Tag mit dem Wissen von der Hütte, dass er wahrscheinlich wieder irgendwo ein zerfleischtes Tier findet und egal wie sehr er sich bemüht, nichts dagegen tun kann.“ Dabei hätte man im Verwalltal durchaus versucht, Herdenschutzmaßnahmen umzusetzen. Vor zwei Jahren wurde das Gebiet im Zuge der Machbarkeitsstudie des Landes Tirol von Experten überprüft. Die einzige als möglich eingestufte Maßnahme – eine gelenkte Weideführung – wurde seither mit verstärkter Behirtung und dem Aufstellen von Zäunen umgesetzt. Nur hat das auch nichts genützt. Am Samstag fiel dann die Entscheidung zum Almabtrieb: „Wir sind nochmal die ganze Alm abgegangen und haben dann fünf tote und teils schwer verletzte Schafe gefunden. Ein grauenvoller Anblick. Wenn man zumindest den Eindruck hätte, der Bär würde aus Hunger töten. Aber nein, er tötet nur und frisst nicht einmal.“ Jetzt ist die Alm wieder leer. Das letzte, was man als Almverantwortlicher will, denn ohne Tiere verwildern die Futterflächen. Wir haben uns aber einfach keinen anderen Ausweg gewusst“, schildert Matt. Auch der Abtrieb selbst war mit einem unguten Gefühl verbunden: „Im dichten Nebel sind wir die ganze Alm ausgekommen. Da denkt man sich schon, was mache ich jetzt, wenn hinter dem nächsten Stein oder aus der nächsten Höhle plötzlich der Bär herauskommt.“
Nichts kleinzureden
Diesen Almsommer hat es keine Woche ohne neue Rissmeldungen gegeben. Über 300 tote und vermisste Tiere, die in Zusammenhang mit Angriffen großer Beutegreifer stehen, sind bis jetzt zu verzeichnen. „Zusätzlich wurden zahlreiche Schafherden in Tirol wegen der großen Beutegreifer bereits wieder von den Almen geholt. Es ist eine gefährliche Entwicklung, wenn diese Flächen nicht mehr beweidet werden. Ohne Weidevieh keine Alm. Ohne Idealismus und Freude keine bäuerlichen Betriebe. Es ist untragbar, wenn von einem Hof die halbe Herde von Wolf oder Bär ausgelöscht wird und die Bauernfamilie weiter täglich bangen muss, dass weitere Tiere gerissen werden. Wir setzen hier unsere kleinbäuerliche Struktur aufs Spiel und alle damit verbundenen Leistungen für unser Land. Genau in solchen Fällen, wo wiederkehrend oder auf einen Schlag mehrere Nutztiere getötet werden, braucht es Handlungsmöglichkeiten in Form von Entnahmen“, bekräftigt LK-Präsident und Vereinsobmann Josef Hechenberger einmal mehr und weiter: „Es muss noch einmal festgehalten werden, dass Wölfe und Bären laut Weltnaturschutzorganisation IUCN nicht mehr gefährdet sind. Deshalb ist deren unantastbarer Schutz auch nicht argumentierbar. Es geht nicht darum, jeden großen Beutegreifer abzuschießen, sondern gegen auffällige Tiere vorzugehen und so die Alm- und Weidewirtschaft zu schützen.“ Außerdem dürfe man natürlich die Sicherheit der Menschen nicht aus den Augen lassen. Einem ausgewachsenen Bären wolle bei seiner Wanderung wohl niemand begegnen.
Am Sonntag wurden außerdem auf der Moostal Alpe, die sich ebenfalls im Gemeindegebiet von St. Anton befindet, 3 weitere gerissene Schafe entdeckt.
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